Diese Frage begegnet uns ständig. Im Gespräch, im Onlineshop, manchmal auch zwischen zwei Schlucken am Küchentisch. Und sie ist absolut berechtigt. Denn Wein ist eines der wenigen Lebensmittel, bei dem die Preisspanne so absurd groß wirkt. Von 2,99 Euro im Discounter bis weit über 100 Euro für eine einzelne Flasche. Das sieht nach Willkür aus, nach Marketing, nach Etikettenschwindel. In Wahrheit ist es vor allem die Konsequenz sehr unterschiedlicher Wege, Wein zu machen.
Bevor ein Wein überhaupt existiert, ist schon erstaunlich viel passiert. Reben wurden geschnitten, gebunden, gepflegt. Der Boden wurde bearbeitet, manchmal mit der Maschine, manchmal mit der Hand. Es wurde gehofft, gebangt, geflucht über Frost, Trockenheit, Hagel oder Dauerregen. All das passiert Monate bevor auch nur ein Gedanke an Abfüllung oder Verkauf aufkommt. Und genau hier beginnen die Unterschiede. Ein Weinberg in flacher Lage, der komplett maschinell bewirtschaftet werden kann, ist etwas völlig anderes als eine steile Parzelle, in der jeder Arbeitsschritt per Hand erledigt wird. Das eine spart Zeit und Geld, das andere kostet beides. Dazu kommt der Ertrag. Hohe Erträge bedeuten viele Flaschen, niedrige Erträge bedeuten Konzentration, aber eben auch weniger Ware, die die gleiche Arbeit tragen muss.
Wenn ein Wein später für 2,99 Euro im Regal steht, ist das keine Magie. Nach Mehrwertsteuer und Handelsspanne bleibt ein Betrag übrig, von dem man gerade so Flasche, Verschluss, Etikett, Transport und Inhalt bezahlen kann. Für aufwendige Handarbeit, niedrige Erträge oder lange Reifezeiten ist dort schlicht kein Platz. Diese Weine entstehen zwangsläufig in großen Strukturen, mit maximaler Effizienz, mit dem Ziel, ein stabiles, sauberes Produkt zu liefern. Das ist kein moralisches Urteil, sondern eine nüchterne Feststellung. Wer Wein zu diesem Preis kauft, bezahlt vor allem Organisation, Logistik und Menge.
Sobald man den Schritt in den Bereich von etwa 10 bis 30 Euro macht, verändert sich die Rechnung spürbar. Hier wird Wein wieder langsamer. Es gibt mehr Handarbeit im Weinberg, mehr Selektion bei der Lese, mehr Geduld im Keller. Trauben werden nicht maximal ausgepresst, sondern schonend behandelt. Weine liegen länger auf der Hefe, manchmal im Fass, manchmal im Stahltank. All das bindet Kapital und Zeit. Und Zeit ist im Wein eine der teuersten Währungen. Ein Wein, der zwei oder drei Jahre im Keller liegt, kostet Geld, bevor er überhaupt einen Euro einspielt. Dazu kommen steigende Lohnkosten, Energiepreise, Verpackungskosten und der ganz banale Umstand, dass kleine Betriebe nicht die Einkaufsvorteile großer Konzerne haben.
Spätestens beim Vertrieb wird deutlich, warum Wein selten „nur“ so teuer ist, wie er im Regal steht. Ein Wein verkauft sich nicht von allein. Er muss erklärt werden, verkostet, erzählt. Je individueller er ist, desto mehr Kommunikation braucht er. Viele kleine Weingüter stemmen das selbst. Der Winzer ist Verkäufer, Markenbotschafter und Logistiker in Personalunion. Wer glaubt, dass hier große Margen abgeschöpft werden, hat vermutlich noch nie ausgerechnet, wie viele Stunden Autobahn in einer Flasche stecken können.
Und dann gibt es Weine, die weit über 50 oder 100 Euro kosten. Hier spielen Knappheit, Zeit, Ruf und Nachfrage eine Rolle. Manche Lagen sind extrem klein, manche Weine entstehen in winzigen Mengen, manche Namen ziehen Käufer an, lange bevor die Flasche geöffnet wird. Nicht jeder dieser Weine ist sein Geld wert, aber keiner von ihnen ist allein durch Marketing teuer geworden. Ohne Substanz funktioniert das Spiel nicht dauerhaft.
Am Ende bleibt eine recht einfache Wahrheit: Billiger Wein ist nur auf den ersten Blick günstig. Irgendjemand zahlt immer den Preis – sei es der Winzer, die Angestellten, die Landschaft oder die Vielfalt. Handwerklich arbeitende Betriebe können dauerhaft keine Weine verkaufen, die ihre eigenen Kosten unterschreiten. Das ist einfache Mathematik.
Und damit sind wir bei perduesch. Warum wir keine „3-Euro-Weine“ verkaufen? Es fühlt sich falsch an. Nicht, weil wir etwas gegen günstigen Wein hätten, sondern weil wir die Menschen kennen, die unsere Weine machen. Weil wir wissen, wie viele Stunden Arbeit, wie viel Risiko und wie viel Idealismus in diesen Flaschen stecken. Weil wir gesehen haben, was ein Frost im April oder ein Hagel im August anrichten kann. Und weil wir ehrlich gesagt keine Lust haben, über Weine zu sprechen, die nur deshalb existieren, weil irgendwo jemand auf Qualität oder Fairness verzichtet hat.
Augenzwinkernd gesagt: Für 3 Euro bekommt man heute nicht mal mehr einen ordentlichen Kaffee an der Autobahn. Warum sollte Wein, der ein ganzes Jahr im Weinberg und oft noch länger im Keller verbringt, weniger wert sein? Wir verkaufen lieber weniger Flaschen. Dafür solche, hinter denen wir stehen können. Mit Namen, mit Herkunft und mit Haltung. Und mit dem guten Gefühl, dass am Ende alle Beteiligten noch Lust haben, auch nächstes Jahr wieder Wein zu machen.
