Vergangenes Wochenende war ich Teil einer für mich ganz besonderen Weinprobe: Gemeinsam mit einer Freundesgruppe verbrachten wir eine sehr genussvolle Zeit auf Sylt – und im Mittelpunkt standen Weine aus Frankreich. In dem Fall Chenin Blanc, der charaktervollen Rebsorte von der Loire.
Warum Chenin Blanc? – Die Rebsorte mit unendlichem Ausdruck
Chenin Blanc ist ein echtes Multitalent unter den weißen Rebsorten. Sie ist bekannt für ihre bemerkenswerte Vielseitigkeit: Ob knochentrocken, restsüß oder gar als edelsüßer Dessertwein – Chenin kann all das, und das auch auf sehr hohem Niveau.
Die renommierte britische Weinkritikerin Jancis Robinson beschreibt Chenin Blanc als eine der „unterschätztesten und zugleich vielseitigsten weißen Rebsorten der Welt“. Für sie sei die Sorte „eine der wenigen, die gleichermaßen fähig ist, elegante trockene Weine, leuchtende Schaumweine und tiefgründige Süßweine hervorzubringen“. Auch sie weist auf das enorme Alterungspotenzial guter Chenin-Blanc-Weine hin – manche Spitzenexemplare aus Vouvray oder Savennières können sehr lange reifen.
Die Weinregion Loire – Vielfalt entlang des Flusses
Mit über 57.000 Hektar Rebfläche ist das Loire-Tal das drittgrößte Weinanbaugebiet Frankreichs – nach Bordeaux und dem Languedoc. Es erstreckt sich über mehr als 1.000 Kilometer entlang des Flusses Loire, von der Atlantikküste bei Nantes bis ins Landesinnere nahe Sancerre und Pouilly-Fumé.
Die Loire gilt als eine der vielfältigsten Weinregionen Europas – klimatisch, stilistisch und geologisch. Das Klima reicht von maritim im Westen über gemäßigt in der Mitte bis hin zu kontinental im Osten.
Wichtige weiße Rebsorten an der Loire:
- Chenin Blanc – vor allem in Anjou, Saumur und Vouvray
- Sauvignon Blanc – dominiert im östlichen Teil, besonders in Sancerre und Pouilly-Fumé
- Melon de Bourgogne – typisch für die Muscadet-Region im Westen (ideal zu Meeresfrüchten)
Rote Rebsorten:
- Cabernet Franc – die wichtigste rote Rebsorte, besonders in Chinon, Saumur-Champigny und Bourgueil
- Gamay und Pinot Noir – vor allem in den kühleren östlichen Lagen
Neben Stillweinen ist die Loire auch für ihre Crémants (Schaumweine) bekannt – insbesondere Crémant de Loire, der traditionell in Flaschengärung erzeugt wird.
Ein spannender Fakt: Über 70 Appellationen (AOPs) gehören zur Loire – von weltbekannten wie Sancerre bis hin zu kleinen, fast vergessenen Ursprungsbezeichnungen. Diese enorme Vielfalt macht die Region zu einem Paradies für Entdecker.
Unsere Verkostung
Für unsere Probe hatten wir uns bewusst auf Spitzenweine konzentriert, die das enorme Potenzial von Chenin Blanc aufzeigen. Die Auswahl führte uns durch verschiedene Appellationen, Stile und Reifegrade – und jeder einzelne Wein war ein Erlebnis für sich. Jeder Wein wäre an einem anderen Tag der Wein des Tages geworden.
- Vigneron Martigné-Briand – Les Nourrissons 2022: Ein frischer, spannungsgeladener Einstieg mit karger Mineralität und beeindruckender Präzision.
- Domaine Belargus – Treilles 2020: Ausdrucksstark und fokussiert, aus einer der steilsten Lagen der Loire, mit feiner Salzigkeit und enormer Tiefe.
- Richard Leroy – Les Noëls de Montbenault 2015: Ein Kultwein, der Chenin puristisch interpretiert – dicht, strukturiert, mit rauchiger Mineralität und Noten von reifem Kernobst und Wachs.
- Clos Rougeard – Brézé Saumur 2012: Rarität mit burgundischer Eleganz. Wahnsinn.
Der direkte Vergleich offenbarte eindrucksvoll, wie wandlungsfähig Chenin Blanc ist – und wie stark Terroir, Reife und Ausbau den Charakter prägen. Besonders eindrucksvoll: Die Balance aus Säure, Textur und Tiefe, die sich bei allen Weinen durchzog.
Fazit: Eine Rebsorte für Entdecker*innen
Chenin Blanc ist eine Sorte für Menschen, die Weine mit Charakter, Tiefe und Spannung suchen. Sie verlangt Aufmerksamkeit und belohnt mit einer unglaublichen Bandbreite an Ausdruck. Wer sich mit ihr beschäftigt – ob über eine kleine Verkostung oder durch regelmäßiges Probieren – entdeckt immer neue Facetten.